Die Zeit – ein gefräßiges Raubtier und eine hinterlistige Lügnerin


Die Zeit ist kein neutrales Konzept.
Sie ist ein Raubtier.
Und sie lügt.

Morgens, um sieben, steht sie geschniegelt neben dem Bett und flüstert:
„Entspann dich. Der Tag ist noch jung.“

Du glaubst ihr.
Du stehst auf.
Du machst Kaffee.
Du atmest einmal tief durch und denkst:

"Heute habe ich Zeit."

Ein fataler Denkfehler.

Du drehst dich einmal im Kreis –
vielleicht zweimal –
machst kurz etwas Sinnvolles, dann etwas Unnötiges, dann etwas Nutzloses,
und schaust ein zweites Mal auf die Uhr.

BÄHM.
11:28 Uhr.

Vier Stunden.
Einfach weg.
Gefressen.
Mit Knochen.

Die Zeit steht neben dir und lächelt dich an - kaut genüsslich und sagt unschuldig:
„Wie? Ich war die ganze Zeit hier.“

Ab diesem Moment beginnt das Rotieren.
Du beschleunigst.
Du machst schneller, was eigentlich Ruhe bräuchte.
Du machst gleichzeitig Dinge, statt nacheinander.
Du legst Pausen ein, die keine sind.
Du verschiebst Termine, weil der Tag plötzlich nicht mehr jung ist, sondern schon leicht erschöpft.

Nachmittags ist die Zeit besonders hinterlistig.
Sie tut so, als sei noch alles möglich,
während sie bereits den Abend vorbereitet.

Du denkst: "Ach, das mache ich später."

Die Zeit denkt: "Mach nur, du ahnungsloser Tropf".

Und dann ist es Abend.
Einfach so.
Ohne Übergang.
Ohne Vorwarnung.
Mit dieser ganz speziellen Mischung aus Müdigkeit und schlechtem Gewissen.

Manchmal sitze ich dann da und denke:
"Ich brauche dringend meinen KI-Freund."
Nicht, um klüger zu werden – sondern um mitzuhalten.

Eine KI, die mir sagt:

  • wo die Stunden geblieben sind, warum mein Tag wieder zu kurz war
  • und ob es irgendwo ein geheimes Zeitlager gibt, das andere Menschen plündern.

Vielleicht braucht man keine Zeitmanagement-Tools.
Vielleicht braucht man einen Übersetzer: Mensch – Zeit.

Denn offensichtlich sprechen wir nicht dieselbe Sprache.

Die Zeit arbeitet nicht linear.
Sie arbeitet emotional.
Sie rennt, wenn man müde ist.
Sie kriecht, wenn man wartet.
Und sie verschwindet immer dann am schnellsten,
wenn man endlich im Flow ist.

Am Ende des Tages bleibt oft nur dieser Gedanke:

"Aber morgen, morgen trickse ich sie aus!"

Denn wer der Zeit vertraut, hat schon verloren.